Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil09.10.2025
Homeoffice: Kein Unfallversicherungsschutz bei Sprung aus Fenster nach Explosion der E-Roller-AkkusSelbstrettung aus dem Fenster
Wer im Homeoffice arbeitet und zur Selbstrettung aus dem Fenster seiner Wohnung springt, nachdem die Akkus seines E-Rollers in Brand geraten sind, steht nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Das Ereignis stellt daher keinen Arbeitsunfall dar. Dies hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschieden.
Der Kläger war als Softwareentwickler beschäftigt. Er lebte in einer Wohnung in Berlin im 1. OG eines Mehrfamilienhauses. Das Wohnzimmer nutzte er als Homeoffice. Im Januar 2021 befand sich der Kläger gerade in einer Telefonkonferenz, als er bemerkte, dass Rauch in das Wohnzimmer eintrat. Er öffnete die Tür zum Wohnungsflur, um nach der Ursache zu schauen. In diesem Moment explodierten die beiden E-Roller-Akkus, die der Kläger neben seiner Wohnungstür (innerhalb der Wohnung) gelagert hatte, und es entstand eine Stichflamme. Wegen der starken Qualm-Entwicklung flüchtete der Kläger zum Fenster des Wohnzimmers und ließ sich schließlich vom Fensterbrett in den Innenhof fallen. Hierbei zog er sich Knochenbrüche an beiden Füßen zu. Die nachfolgenden Ermittlungen der Feuerwehr ergaben, dass der Brand auf einen Akku-Defekt zurückzuführen war.
Berufsgenossenschaft: Sprung aus dem Fenster ist kein Arbeitsunfall
Die Berufsgenossenschaft lehnte es ab, das Ereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Berlin blieb ohne Erfolg. Der 21. Senat des Landessozialgerichts hat mit seinem Urteil vom 9. Oktober 2025 die ablehnende Entscheidung bestätigt. Die konkrete Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls habe nicht im inneren Zusammenhang mit seiner grundsätzlich versicherten, im Homeoffice ausgeübten Tätigkeit als Softwareentwickler gestanden. Der Sprung aus dem Fenster sei nicht mehr in eine hinreichend enge sachliche Beziehung mit der Telefonkonferenz zu bringen. Verletzungen habe er sich auch erst bei diesem Sprung zugezogen und nicht schon, als er – ggf. noch mit seinem Headset und während er die Telefonkonferenz fortführte - den verqualmten Flur betreten hatte. Bei dem Sprung aus dem Fenster habe der Kläger in erster Linie sein eigenes Leben retten wollen und damit ein überragend wichtiges privates Motiv verfolgt. Vollkommen nachrangig sei demgegenüber, dass er hierdurch (auch) seine Arbeitskraft erhalten wollte, um etwa die Telefonkonferenz fortsetzen zu können.
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Landessozialgericht verneint auch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Arbeitsunfällen im Homeoffice
Eine Anerkennung als Arbeitsunfall komme auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Arbeitsunfällen im Homeoffice (Urteil vom 21. März 2024, Az. B 2 U 14/21 R) in Betracht. Danach könnten zwar von privaten Gegenständen des Versicherten ausgehende Gefahren im Homeoffice versichert sein, wenn diese der beruflichen Tätigkeit dienend benutzt würden. Dies sei aber in Bezug auf die E-Roller-Akkus nicht anzunehmen. Unerheblich sei, dass der Kläger seinen E-Roller auch genutzt habe, um zur Arbeit zu fahren. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Unfalls sei der E-Roller bzw. seien die Akkus nicht betriebsdienlich genutzt worden. Sie seien nicht dazu bestimmt gewesen, die Telefonkonferenz durchzuführen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Der Kläger kann beim Bundessozialgericht die Zulassung der Revision beantragen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.10.2025
Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (pm/pt)