Landgericht Hamburg Urteil27.09.2024
KI und Urheberrecht: Landgericht Hamburg weist Klage ab
Das Landgericht Hamburg hat eine Klage eines Fotografen abgewiesen, der sich gegen das sog. Text und Data Mining eines Vereins wandte, welches seine Fotografie betraf.
Der Kläger ist Berufsfotograf. Der Beklagte ist ein Verein, der ein sogenanntes Dataset mit knapp 6 Milliarden Bild-Text-Paaren öffentlich kostenfrei zur Verfügung stellt. Es handelt sich dabei um eine Art Tabellendokument, das Hyperlinks zu im Internet öffentlich abrufbaren Bildern bzw. Bilddateien sowie weitere Informationen zu den entsprechenden Bildern enthält, darunter eine Bildbeschreibung (auch Alternativtext genannt), die Auskunft über den Inhalt des Bildes in Textform gibt. Der Datensatz kann insbesondere zum Trainieren sog. generativer Künstlicher Intelligenz genutzt werden.
Zur Erstellung dieses Datensatzes hat der Beklagte auf einen bereits vorhandenen Datensatz eines Dritten zurückgegriffen, der für eine Art zufälligen Querschnitt der im Internet auffindbaren Bilder die jeweiligen URLs nebst textlicher Beschreibung des jeweiligen Bildinhalts enthielt. Der Beklagte hat die in dem vorhandenen Datensatz verlinkten Bilder von ihrem jeweiligen Speicherort heruntergeladen und mittels Software darauf geprüft, ob die in dem vorbestehenden Datensatz bereits vorhandene Beschreibung des Bildinhalts tatsächlich mit dem auf dem Bild zu sehenden Inhalt übereinstimmte. Bilder, bei denen Text und Bildinhalt nicht hinreichend übereinstimmten, wurden herausgefiltert. Für die verbleibenden Bilder wurden die Meta-Daten, insbesondere die URL des Speicherorts des Bildes und die Bildbeschreibung, extrahiert und in den neu geschaffenen Datensatz aufgenommen. Im Rahmen dieses Analyseprozesses wurde auch das streitgegenständliche Bild des Klägers erfasst, heruntergeladen, analysiert und mit seinen Meta-Daten in den neuen Datensatz aufgenommen. Konkret heruntergeladen wurde dabei eine auf der Webseite einer Bildagentur eingestellte Bilddatei. Die Fotoagentur hatte in ihren Benutzungsbedingungen einen in englischer Sprache verfassten Nutzungsvorbehalt ausgesprochen, nach welchem es Besuchern der Seite u.a. verwehrt sein sollte, mittels automatisierter Programme „downloading“ oder „scraping“ von Inhalten der Seite vorzunehmen.
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Unterlassung derartiger Vervielfältigungen seines Bildes.
Die Entscheidung des Landgerichts
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zu beurteilen war vorliegend allein die Frage der Zulässigkeit des Downloads des streitgegenständlichen Bildes, den der Beklagte vorgenommen hat, um den nachfolgenden Abgleich des Bildinhalts mit der vorbestehenden Bildbeschreibung durchzuführen und darauf aufbauend seinen eigenen neuen Datensatz zu erstellen. Nicht von der Kammer zu entscheiden war hingegen, wie die etwaige anschließende Verwendung des Bildes zum Trainieren sog. generativer Künstlicher Intelligenz rechtlich zu bewerten wäre.
Das Herunterladen des Bildes im Rahmen der Erstellung des Datasets ist nach Auffassung der Kammer von einer Schrankenregelung des Urhebergesetzes (§ 60 d UrhG) gedeckt, die das sog. Text und Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung privilegiert. Text und Data Mining ist im Gesetz definiert als die „automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen“.
Der vom Beklagten durchgeführte Abgleich des Bildinhalts mit der vorbestehenden Bildbeschreibung stellt nach Auffassung der Kammer eine solche Analyse zum Zwecke der Gewinnung von Informationen über Korrelationen (hier: Beziehung Bildinhalt zur Bildbeschreibung) dar. Eine nur eingeschränkte Anwendung der gesetzlichen Regelung ist nach Auffassung der Kammer jedenfalls für die vorliegend allein zu beurteilende Erstellung eines Datensatzes nicht geboten, auch nicht vor dem Hintergrund, dass der Datensatz zum Training sog. generativer Künstlicher Intelligenz verwandt werden kann und sich seit Inkrafttreten der Norm die Leistungsfähigkeit generativer Künstlicher Intelligenz gesteigert hat.
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Die Rechtsansicht der Kammer betreffend den Nutzungsvorbehalt
Vor diesem Hintergrund brauchte die Kammer nicht zu entscheiden, ob der Beklagte sich zusätzlich auch auf eine weitere Erlaubnisvorschrift für Text und Data Mining (nach § 44 b UrhG) stützen kann. Die Kammer hat jedoch auch zu dieser Vorschrift Ausführungen gemacht, da auch hier ein Schwerpunkt der rechtlichen Erörterungen im Verfahren lag. Dabei hat die Kammer zu erkennen gegeben, dass die Voraussetzungen dieser Schrankenvorschrift möglicherweise nicht erfüllt sind.
Urheberrechtlich relevante Vervielfältigungen im Rahmen von Text und Data Mining sind nämlich nur dann nach der weiteren Vorschrift (§ 44 b UrhG) zulässig, wenn der Rechtsinhaber sich diese Nutzungen nicht vorbehalten hat. Ein solcher Vorbehalt muss ausdrücklich erklärt werden, wobei bei online zugänglichen Werken der Nutzungsvorbehalt nur dann wirksam ist, wenn er „in maschinenlesbarer Form“ erfolgt. Die Definition dieses Begriffes ist nicht abschließend geklärt. Im vorliegenden Fall war der Nutzungsvorbehalt auf der Webseite der Fotoagentur (nur) in „natürlicher Sprache“ formuliert.
Die Kammer hat zu erkennen gegeben, dass die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Vorbehalt als „maschinenlesbar“ bewertet werden kann, in Abhängigkeit von der technischen Entwicklung zum jeweiligen Nutzungszeitpunkt zu beurteilen ist. Angesichts der Fortschritte in der Entwicklung von KI-Anwendungen, die in der Lage sind, in natürlicher Sprache geschriebenen Text inhaltlich zu erfassen, dürften jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt nicht (mehr) nur im Webseiten-Code hinterlegte Nutzungsvorbehalte, sondern auch in natürlicher Sprache formulierte Nutzungsvorbehalte als maschinenlesbar im Sinne der Vorschrift anzusehen sein. Denn der Gegensatz zwischen den Interessen der Nutzer des Text und Data Mining, dieses möglichst einfach und rechtssicher betreiben zu können, und den Interessen der Rechteinhaber, ihre Rechte möglichst einfach und effektiv zu sichern, kann nach Auffassung der Kammer nicht einseitig zugunsten der Nutzer des Text und Data Mining gelöst werden. Es wäre wohl auch ein gewisser Wertungswiderspruch, den Anbietern von KI-Modellen einerseits über die Schranke des Text und Data Mining die Entwicklung immer leistungsfähigerer textverstehender und -kreierender KI-Modelle zu ermöglichen, ihnen aber andererseits zur Prüfung etwaiger Vorbehalte der Rechteinhaber nicht auch die Anwendung bereits bestehender KI-Modelle abzuverlangen.
Für eine solche Sichtweise spreche auch, dass der europäische Gesetzgeber im Rahmen der zum 01.08.2024 in Kraft getretenen sog. KI-Verordnung festgelegt hat, dass Anbieter von KI-Modellen eine Strategie insbesondere zur Ermittlung und Einhaltung eines geltend gemachten Nutzungsvorbehalts „auch durch modernste Technologien“ vorzuhalten haben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 07.11.2025
Quelle: Landgericht Hamburg, ra-online (pm/pt)