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Dokument-Nr. 35441

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Bundesverfassungsgericht Beschluss23.09.2025

Bundes­ver­fas­suns­gericht erlaubt ANOM-Daten als Beweismittel im StrafverfahrenKein Beweis­ver­wer­tungs­verbot für Anom-Daten - Erfolglose Verfas­sungs­be­schwerde gegen strafrechtliche Verurteilung unter Verwertung übermittelter ANOM-Daten

Mit heute veröf­fent­lichtem Beschluss hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts eine Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwer­de­führer gegen seine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe unter Verwertung von Informationen aus der Überwachung seiner ANOM-Kommunikation wendet. Die Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig. Der Beschwer­de­führer hat die Möglichkeit der Verletzung eines Grund- oder grund­rechts­gleichen Rechts, insbesondere des Rechts auf ein faires und rechts­s­taat­liches Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) nicht schlüssig dargelegt. Die Verwertung der ANOM-Daten begegnet auf der Grundlage des Vortrags des Beschwer­de­führers keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken.

Der Beschwer­de­führer wurde vom Landgericht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, wobei die Feststellungen zu den Taten nahezu ausschließlich auf der Auswertung von Chat-Nachrichten der verschlüsselten ANOM-Kommunikation beruhen, die dem Beschwer­de­führer zugeordnet werden konnten. Die hiergegen eingelegte Revision verwarf der Bundes­ge­richtshof als unbegründet, soweit sie sich gegen die Verwertung der ANOM-Daten richtete.

Mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde rügt der Beschwer­de­führer unter anderem, durch die angefochtenen Entscheidungen in seinem Recht auf ein faires und rechts­s­taat­liches Verfahren verletzt worden zu sein. So hätten das Landgericht und der Bundes­ge­richtshof das Verfahren zur Erhebung der ANOM-Daten im Ausland nicht hinreichend daraufhin überprüft, ob es den nach Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG unabdingbaren verfas­sungs­recht­lichen Grundsätzen genüge und ein Mindestmaß an Grund­rechts­schutz einräume. Ferner führten die Erkennt­nis­de­fizite hinsichtlich der Überwachung der ANOM-Geräte dazu, dass dem Beschwer­de­führer sämtliche Einwendungen gegen das Verfahren abgeschnitten würden.

Wesentliche Erwägungen der Kammer:

I. Die Verfas­sungs­be­schwerde ist unzulässig. Der Beschwer­de­führer hat die Möglichkeit der Verletzung eines Grund- oder grund­rechts­gleichen Rechts nicht schlüssig dargelegt. Entgegen seiner Auffassung begegnet die Verwertung der ANOM-Daten keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken.

1. Soweit der Beschwer­de­führer der Meinung ist, die Fachgerichte hätten das Verfahren zur Erhebung der ANOM-Daten schon deshalb nicht hinreichend darauf überprüft, ob es den unabdingbaren verfas­sungs­recht­lichen Grundsätzen genügt und ein Mindestmaß an Grund­rechts­schutz gewährleistet habe, weil über die Beweis­mit­tel­ge­winnung der ANOM-Daten „praktisch nichts bekannt“ sei, wird dies bereits seinem eigenen Tatsa­chen­vortrag nicht gerecht. Danach ist insbesondere bekannt, dass die auf den ANOM-Geräten vorhandene Software auf Veranlassung des FBI mit einer Funktion versehen worden war, die dafür sorgte, dass von jeder über den Messengerdienst versandten Nachricht ohne Wissen des jeweiligen Nutzers eine dem jeweiligen Gerät eindeutig zuordenbare verschlüsselte Kopie an einen sogenannten iBot-Server gesandt wurde, wo sie vom FBI in einem temporären Speicher zunächst entschlüsselt, erneut verschlüsselt auf das Speichermedium geschrieben und schließlich mit einigen Tagen Verzögerung an den Transferserver weitergeleitet wurde. Bekannt ist weiter, dass ein bis heute unbekannter Mitgliedstaat der EU auf der Grundlage eines bilateralen Rechts­hil­fe­ab­kommens mit den USA den iBot-Server für die Nachrich­ten­kopien zur Verfügung stellte und diese, ohne sie selbst entschlüsselt und ausgewertet zu haben, an die USA übermittelte. Dabei handelte der Drittstaat nach den fachge­richt­lichen Feststellungen auf der Grundlage von nach seinem Prozessrecht erwirkten gerichtlichen Beschlüssen.

Erkennt­nis­de­fizite bestehen lediglich insoweit, als der den Server hostende Staat sowie das konkrete Zustandekommen und der genaue Inhalt der gerichtlichen Beschlüsse nicht weiter bekannt sind. Warum es auf diesbezügliche Erkenntnisse ankommen soll, erschließt sich aber nicht. Zwar hätte eine Überprüfung dieser Beschlüsse Aufschluss darüber geben können, ob Speicherung und Weitergabe der Daten an die USA mit dem Recht des unbekannten Mitgliedstaats der EU vereinbar sind; darauf kommt es aber gerade nicht an. Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der um Rechtshilfe ersuchte ausländische Staat bei der Gewinnung der Beweismittel die Grundsätze der Rechts­s­taat­lichkeit und des Menschen­rechts­schutzes verletzt haben könnte, ist davon auszugehen, dass dies nicht der Fall ist.

2. Auch die weitere Rüge des Beschwer­de­führers, das ausländische Beweis­er­he­bungs­ver­fahren sowohl in den USA als auch im unbekannten Mitgliedstaat der EU habe rechts­s­taat­lichen Minde­st­an­for­de­rungen nicht genügt und zugleich das unabdingbare Maß an Grund­rechts­schutz verfehlt, wird von seinem tatsächlichen Vortrag nicht getragen.

a) Unter anderem versucht die Verfas­sungs­be­schwerde eine Verletzung der rechts­s­taat­lichen Minde­st­an­for­de­rungen damit zu begründen, dass die Auslagerung der Überwachung der ANOM-Geräte in einen anderen Staat als die USA nur den Zweck gehabt haben könne, die Beschränkungen des vierten Zusatzes zur US-amerikanischen Verfassung (Schutz der Privatsphäre) und des Wiretap Acts zu umgehen, die beim Rückgriff auf US-Kommu­ni­ka­ti­o­ns­in­fra­s­truktur anwendbar gewesen wären. Dies ist nicht schlüssig. Sind die von der Verfas­sungs­be­schwerde genannten Vorschriften des US-amerikanischen Rechts – wie vom Beschwer­de­führer insoweit behauptet – nur beim Rückgriff auf US-amerikanische Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­in­fra­s­truktur einschlägig, so ist ihr Anwen­dungs­bereich im Falle einer Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung ohne die Inanspruchnahme dieser Infrastruktur von vornherein nicht eröffnet. Die Verfas­sungs­be­schwerde zeigt damit schon im Ausgangspunkt keine rechtswidrige Geset­ze­s­um­gehung, sondern lediglich auf, dass das FBI überhaupt nicht im Anwen­dungs­bereich der genannten Vorschriften gehandelt hat.

b) Hinsichtlich der Beweiserhebung im unbekannten Mitgliedstaat der EU macht die Verfas­sungs­be­schwerde geltend, die Überwachung habe schon keinen legitimen Zweck verfolgt und damit gegen die Grundsätze des zum rechts­s­taat­lichen Mindeststandard gehörenden Verhält­nis­mä­ßig­keits­prinzips verstoßen. Auch der diesbezügliche Vortrag ist nicht schlüssig. Die Verfas­sungs­be­schwerde zeigt bereits nicht substantiiert auf, dass eine Strafverfolgung der von der Überwachung betroffenen Personen in den USA nach US-amerikanischem Recht wegen des fehlenden USA-Bezugs nicht möglich war. Vor allem aber setzt sie sich nicht mit der Frage auseinander, ob die erhobenen Daten für die USA nicht in Bezug auf Strafverfahren von Relevanz waren, die dort gegen Personen geführt wurden, die an der Entwicklung und Vermarktung von ANOM im Glauben mitwirkten, es handle sich um einen funkti­o­ns­fähigen Krypto-Messengerdienst. Dass es in den USA solche Strafverfahren gab, legt der Beschwer­de­führer selbst dar. Damit kann auch hier offen bleiben, ob der von der Verfas­sungs­be­schwerde angenommene Verstoß gegen rechts­hil­fe­rechtliche Regelungen im Rechts­hil­fe­verkehr zwischen den USA und dem unbekannten Mitgliedstaat der EU – was jedenfalls zweifelhaft sein dürfte – geeignet gewesen wäre, einen Verstoß gegen rechts­s­taatliche Minde­st­an­for­de­rungen anzunehmen.

3. Auch soweit sich der Beschwer­de­führer darauf beruft, ihm seien infolge des von ihm beklagten Erkennt­nis­de­fizits in Bezug auf die Überwachung der ANOM-Geräte keine hinreichenden Möglichkeiten zur Einflussnahme auf Gang und Ergebnis des Verfahrens verblieben, tragen seine Ausführungen ein von Verfassungs wegen gebotenes Verwer­tungs­verbot nicht. Selbst wenn man mit dem Beschwer­de­führer die Auffassung verträte, dass unzureichende Erkennt­nis­mög­lich­keiten über das Beweis­er­he­bungs­ver­fahren im Ausland ebenfalls von Verfassungs wegen zu einem Beweis­ver­wer­tungs­verbot führen können, lägen solche unzureichenden Erkennt­nis­mög­lich­keiten hier nicht vor. Erkennt­nis­de­fizite betreffen allein die Frage, ob Daten­spei­cherung und -weitergabe nach dem nationalen Recht des unbekannten Mitgliedstaates zulässig waren. Dies ist für die Frage eines Beweis­ver­wer­tungs­verbots in Deutschland aber gerade nicht von Bedeutung.

II. Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass ihr auch unabhängig vom Vortrag des Beschwer­de­führers im vorliegenden Fall bislang keine Erkenntnisse über die Erhebung der ANOM-Telekom­mu­ni­ka­ti­o­nsdaten vorliegen, die Anhaltspunkte für die Annahme bieten könnten, die gewonnenen Daten unterlägen von Verfassungs wegen grundsätzlich einem Beweis­ver­wer­tungs­verbot.

Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)

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