Bundesverfassungsgericht Beschluss21.07.2025
Bundesverfassungsgericht erinnert an die hohen Anforderungen für die Durchsuchung einer RechtsanwaltskanzleiDie Verfassungsbeschwerde gegen die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei ist allerdings mangels Rechtswegerschöpfung unzulässig
Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, die sich gegen die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei richtet. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Das Bundesverfassungsgericht nahm den Sachverhalt allerdings zum Anlass, um an die strengen Maßstäbe für eine Durchsuchung von Kanzleiräumen zu erinnern. Diese sind im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sind dahingehend zu verstehen, dass die Durchsuchung der Kanzleiräume des Anwalts rechtswidrig war.
Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, hat nicht substantiiert vorgetragen, den Rechtsweg erschöpft zu haben. Die Kammer betont in dem Beschluss aber, dass die Durchsuchungsanordnung und die Entscheidung über die Beschwerde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsuchung bei Rechtsanwälten nicht gerecht werden dürften. Aufgrund der Unzulässigkeit kam es hierauf jedoch nicht mehr an.
Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft führte gegen den Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Prozessbetrugs. Hintergrund des Ermittlungsverfahrens war ein zivilrechtlicher Honorarstreit zwischen dem Beschwerdeführer und einer ehemaligen Mandantin (im Folgenden „Anzeigende“), welche Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet hatte. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren zunächst ein, wogegen die Anzeigende Beschwerde einlegte. Im Rahmen dieser Beschwerde legte sie unter anderem eine E-Mail der ehemaligen Bürokraft des Mitbeschuldigten (im Folgenden „Zeugin“) vor. In dieser E-Mail belastete die Zeugin den Beschwerdeführer. Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin das Verfahren wieder auf. In der polizeilichen Vernehmung belastete die Zeugin wiederum den Beschwerdeführer und den Mitbeschuldigten; inhaltlich schilderte sie aber einen anderen Ablauf als noch in der E-Mail.
Das Amtsgericht erließ den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss für die Räume der Rechtsanwaltskanzlei des Beschwerdeführers. Bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses war der zivilrechtliche Honorarstreit noch anhängig. Die Akten des Zivilverfahrens wurden nicht beigezogen. Der Durchsuchungsbeschluss wurde vollstreckt und dabei unter anderem ein Computer des Beschwerdeführers sichergestellt. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Durchsuchungsbeschluss verwarf das Landgericht als unbegründet.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer in der Sache eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Art. 103 Abs. 1 GG.
I. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Der Beschwerdeführer trägt nicht substantiiert vor, eine Gehörsrüge erhoben und damit den Rechtsweg erschöpft zu haben.
II. Aufgrund der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde kommt es nicht mehr darauf an, dass die Durchsuchungsanordnung und die Entscheidung über die Beschwerde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit bei der Durchsuchung bei Rechtsanwälten bei einer Gesamtabwägung nicht gerecht werden dürften.
Der dem Beschwerdeführer vorgeworfene versuchte (Prozess-)Betrug ist keine Straftat von erheblicher Bedeutung. Der Tatverdacht ist weiterhin aufgrund der aktenkundigen Widersprüche zwischen E-Mail und polizeilicher Vernehmung der Zeugin zumindest schwach. Das gilt insbesondere für die nach Aktenlage aufgrund der jeweiligen Motivlage eher fragliche Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Zeugin und der Anzeigenden.
Die Auffindevermutung ist eher gering. Ihre Schwäche beruht insbesondere auf der Kenntnis des Beschwerdeführers von den wiederaufgenommenen Ermittlungen und der Tatsache, dass er diese Kenntnis gegenüber der Staatsanwaltschaft mit seinem Akteneinsichtsantrag sogar offenlegte und daher eine Durchsuchung zumindest für möglich halten durfte.
Zu berücksichtigen ist schließlich die besondere Eingriffsintensität einer Durchsuchung von Kanzleiräumen eines Rechtsanwalts.
Die besondere Eingriffsintensität der Durchsuchung von Anwaltskanzleien ergibt sich daraus, dass die strafprozessuale Maßnahme wegen der Vielzahl verfahrensunerheblicher Daten in den durchsuchten Kanzleiräumen eine Streubreite aufweist und daher zahlreiche Personen in den Wirkungsbereich der Maßnahme mit einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu dem Tatvorwurf stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben. Hinzu kommt die besondere Schutzbedürftigkeit der von einem überschießenden Datenzugriff mitbetroffenen Vertrauensverhältnisse.
Die hier sehr weit formulierte Durchsuchungsanordnung erfasste potentiell auch verfahrensunerhebliche Daten und Betroffene. Das gilt insbesondere, weil eine Abwendungsbefugnis ausdrücklich mit der Begründung ausgeschlossen wurde, dass sich nur aus der Gesamtschau der Unterlagen Erkenntnisse erwarten ließen. Es sollte also offenbar auch nach Unterlagen außerhalb der mandatsbezogenen Verfahrensakte des Beschwerdeführers zur Anzeigenden gesucht werden.
Die besondere Rolle des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt spricht im Ergebnis entscheidend gegen ein angemessenes Verhältnis aus staatlicher Eingriffsmaßnahme zur Wahrheitsermittlung und Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.09.2025
Quelle: Bundesverfassungsgericht, ra-online (pm/pt)